Kennen Sie den Ausspruch: “Wer fragt, führt!” (Und ich ergänze: “Wer führt, hat Macht”)?  Hinter diesen Binsenweisheiten liegen viele, komplexe sozialpsychologische Prozesse. Einen davon will ich herausgreifen: Macht erwächst uns daraus,  dass wir mit Fragen unserem Gegenüber auf charmante Weise auf “unser” Thema hinleiten. Charmant sind Fragen deshalb, weil sie eine Einladung sind, nachzudenken. Fragen sind das Mittel “mein” Thema einzugrenzen.

Die Verknüfung zwischen Fragen und Macht lassen sich vielgestaltig zeigen und sind uns allen gut bekannt. Andreas Patrzek stellt z.B. (Quelle: Andres Patrzek: Professionell fragen – Wer fragt, der führt!) das Sprichwort “Wer fragt, der führt!” auf den Kopf und passt es für Führungskräfte an: “Wer führt, der fragt!”. Demnach ist Fragen ein Privileg der Mächtigen, und damit lässt sich Druck ausüben.
Auch ein guter Verkäufer bedient sich der Fragen als probates Mittel, das Gespräch mit dem Einkäufer zu lenken. Menschenverführer, Demagogen und andere listige Gesellen – wir kennen sie als Menschen, die uns das Wort im Munde umdrehen – lassen uns in ihre Fallen tapsen, deren Schlingen aus Fragen bestehen (“Aber hast du gerade eben nicht gesagt, dass du für … bist? Musst du dann logischerweise nicht auch zugeben, dass …?”). Wie wir es drehen und wenden: “Fragen” und “Macht ausüben” passen scheinbar ganz gut zusammen.

Jetzt klingt diese Verbindung verschwörerischer und konstruierter als notwendig. Ich möchte diese Verknüpfung in einem humanistischeren Licht erscheinen lassen. Dazu ein kleiner Exkurs:
Ich verfolge begeistert die Serie “Gold Rush” auf Discovery Channel. Darin versuchen sich 7 glücklose Familienväter aus dem mittleren Westen der USA, die ihre angestammten Jobs im Zuge der Finanzkrise verloren, im hohen, goldreichen Norden des amerikanischen Kontinents (Alaska und Kanada) als Goldgräber.
Sehr bald wird dem Zuseher klar, dass das Goldgräbergeschäft eine territoriale Angelegenheit ist: Ein Claim ist das Grundstück, auf dem es rechtlich zugelassen ist, nach Gold zu suchen. Dem Claimbesitzer steht das Recht auf sämtliche im Boden befindlichen Rohstoffe zu. Er/sie hat großes Interesse auf Wahrung der Grenzen. Auf fremden Claim zu schürfen ist eine heikle Angelegenheit, die in einem Rechtsstreit sehr schlecht für den Grenzverletzer ausgeht. Hingegen kann der Claimbesitzer oder derjenige, der eine Schürferlaubnis für einen bestimmten Claim hat, so ziemlich alles tun und lassen, was er möchte, um an sein Gold zu gelangen. Die Grenzen um den Claim bestimmen genau, was ist deins, und was ist meins.

Was hat das jetzt mit Fragen zu tun?

Ich vergleiche Fragen mit Zäunen. Meine Zäune sind sichtbare Grenzen um ein Gebiet. So stecke ich z.B. als Claimbesitzer mein Eigentum ab. Damit zeige ich nach Außen hin sichtbar mein Interessensgebiet (man kennt vielleicht den rechtlichen Ausdruck “Interessen wahren”, also Dinge, die für mich von Interesse sind, unter meiner Kontrolle zu haben). Fragen haben diese klärende Funktion meinem Gegenüber zu zeigen: darüber will ich eine Auskunft von dir und nicht über etwas Anderes! Fragen gestatten es mir, auf sanfte Weise die Aufmerksamkeit meines Gegenübers auf mein abgezäuntes Gebiet zu lenken.
Um beim Beispiel vom Claim zu bleiben bedeutet die Frage an mein Gegenüber: ich lade mein Gegenüber ein, ein Prospektor auf meinem Claim zu sein, der mir zeigt, wo das Gold liegt. Das Gold in dieser Metapher kann Vieles sein (Beziehungsaufbau, ein Informationsvorsprung, Bestätigung einer Sachlage, Anerkennung einer Leistung, Feedback, ein mögliches Geschäft, etc.); letztlich lässt sich alles aber in zwei Kategorien teilen: einerseits in Information vom Gegenüber (“Georg, hier liegt Gold!”) und andererseits in seine Aufmerksamkeit (“Oh, Georg hat Gold!”).

Jetzt liegt es an der Präzision meiner Fragen, ob ich und mein Gegenüber wissen, um welches Gebiet es sich genau handelt. Befinden wir uns auf demselben Gebiet? –  Die Grenzen sind nur so klar, wie meine Fragen. Denn erst sie machen die Grenzen sichtbar.

Und auf welchem Claim wollen Sie schürfen?

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